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Dalí – Freud
Eine Obsession

Salvador Dalí und Sigmund Freud: die Kunst des einen – die Theorien des anderen. Nachweislich war Dalí von Freuds Lehren fasziniert, mehr noch: besessen. Über Jahre hinweg verfolgte ihn die fixe Idee, sein großes Idol zu treffen. Mehrfach scheiterte dies. Im April 1937 versuchte der Künstler sein Glück in Wien – erfolglos. Endlich kam das Treffen auf Vermittlung von Stefan Zweig und Edward James im Juli 1938 in London doch zustande. Wie sich diese Obsession im Werk des Surrealisten niederschlägt und sich in Dalís surrealistischen Bildwelten offenbart, zeigt diese umfassende Ausstellung.
Kuratiert von Jaime Brihuega.
Diese Ausstellung ist für Besucher*innen ab 16 Jahren freigegeben.
Für Ihren Besuch der Ausstellung Dalí–Freud. Eine Obsession erhalten Sie zu den Stoßzeiten vor Ort zusätzlich zu Ihrer Eintrittskarte ein Zeitticket*.
*mit fixer Zutrittszeit zur Ausstellung, Aufenthalt unbegrenzt, an Wochenenden kann es dennoch zu Wartezeit kommen!
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Unteres Belvedere
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Unteres Belvedere
Rennweg 6
1030 Wien
Österreich
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Zur Ausstellung
Am 19. Juli 1938 traf Salvador Dalí in London den aus Wien geflohenen Sigmund Freud – es war das erste und einzige Treffen des Künstlers mit seinem Idol. Dalís hohe Erwartungen blieben unerfüllt: Sein ehrgeiziger Wunsch, von Freud "aus naturwissenschaftlicher Sicht" Anerkennung für seine paranoisch-kritische Methode zu ernten, erfüllte sich nicht. Dennoch zeigte sich der Begründer der Psychoanalyse nachträglich tiefer beeindruckt als erwartet und geneigt, seine bis dahin distanzierte Haltung gegenüber dem Surrealismus zu überdenken.
Das Belvedere beleuchtet anhand von rund 100 Werken – darunter Gemälde, surrealistische Objekte, Fotografien, Filme, Bücher, Zeitschriften, Briefe und andere Dokumente – die Person Dalí vor dem Hintergrund seines komplexen Familienuniversums und begleitet ihn von der Entdeckung der Schriften Freuds bis hin zum Treffen mit dem Psychoanalytiker im Londoner Exil des Jahres 1938.
Die Lektüre der Traumdeutung wurde für den jungen Künstler zu einer der wichtigsten Entdeckungen seines Lebens. Durch Freuds Schriften fand er den Schlüssel zu verborgenen Ängsten, Begierden und Obsessionen, die ihn seit seiner Kindheit begleiteten. Davon beeinflusst setzte er sich ab 1926 mit der Poetik des Surrealismus auseinander und entwickelte eine neue Bildsprache, die sein Werk bis heute einzigartig macht. Neben Dalís Treffen mit Freud thematisiert die Ausstellung weitere wegweisende Begegnungen des Künstlers, wie jene mit dem Dichter Federico García Lorca und dem Filmemacher Luis Buñuel an der Residencia de Estudiantes in Madrid. Sie wurden wie auch der Histologe und Nobelpreisträger Santiago Ramón y Cajal und dessen Zeichnungen vom Nervengewebe zur Inspiration seines surrealistischen Schaffens.
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Kapitel
Dalí – Freud. Eine Obsession
Salvador Dalí und Sigmund Freud. Die Kunst des einen ist ohne die Theorien des anderen nicht vorstellbar. Sie erscheinen untrennbar miteinander verbunden, obwohl sich ihre Wege nur ein einziges Mal kreuzen.
Während seiner Studienzeit in den 1920er-Jahren in Madrid kommt der junge Maler erstmals mit den Schriften des berühmten Psychoanalytikers in Berührung – und ist gefesselt. Durch sie findet er Zugang zu seinen eigenen Zwängen, Begierden und Ängsten, die er fortan in seinen Werken verarbeitet. Über Jahre hinweg verfolgt Dalí die fixe Idee, Freud kennenzulernen. Im April 1937 versucht er sein Glück in Wien – erfolglos. Im darauffolgenden Jahr kommt es auf Vermittlung des Schriftstellers Stefan Zweig und des Mäzens Edward James endlich zu der lang ersehnten Begegnung: Am 19. Juli 1938 trifft Salvador Dalí in London den aus Wien geflohenen Sigmund Freud.
Anhand von rund einhundert Exponaten, hochkarätigen Gemälden und Zeichnungen, surrealistischen Objekten, filmischen Arbeiten sowie originalen Schriftstücken zeigt die Ausstellung Dalís Verbundenheit mit Freuds Lehren und begleitet den Künstler von der Entdeckung der Schriften Freuds bis hin zum Treffen mit dem Psychoanalytiker. Die Schau schildert darüber hinaus weitere wegweisende Begegnungen Dalís, wie jene mit dem Dichter Federico García Lorca, dem Filmemacher Luis Buñuel oder dem Mediziner und Nobelpreisträger Santiago Ramón y Cajal, die zu bedeutenden Inspirationsquellen seines surrealistischen Schaffens werden.
Dalís Familienuniversum
(1904–1921)
In seiner Autobiografie Das geheime Leben (1942) verortet Dalí den Auslöser für jene Ängste, Zwänge und Obsessionen, die ihn seit seiner Kindheit begleiten, in seiner komplexen Familiengeschichte.
Noch vor Dalís Geburt stirbt sein älterer Bruder. Der Vorname des Vaters, Salvador, geht von ihm auf den Künstler über. Den Schatten seines Vorgängers empfindet Dalí als einen ständigen Begleiter. Als er gerade einmal 17 Jahre alt ist, stirbt die Mutter. Dalí ist zutiefst erschüttert. Die neuerliche Heirat des Vaters mit der Schwester der Verstorbenen vermag den Verlust nicht wettzumachen. Dem Vater schreibt Dalí auch die prägendste Rolle für seine Entwicklung zu. Als unerbittliche Autorität steht dieser für die Einhaltung moralischer Prinzipien und Tabus, was großen Einfluss auf die Psyche des Künstlers hat. Zu Ana María, der vier Jahre jüngeren Schwester, sein bevorzugtes Modell in frühen Jahren, pflegt er eine sehr innige Beziehung – bis Gala, seine zukünftige Frau, Muse und Partnerin für fast fünfzig Jahre, in sein Leben tritt.
Doch nicht nur die Menschen, auch die Orte seiner Kindheit und Jugend hinterlassen einen tiefen Eindruck. So finden etwa die bizarr durchbrochenen Felsformationen des Cabo de Creus, einer Halbinsel nahe Cadequés, wo Dalís Familie die Sommer am Meer verbringt, regelmäßig Eingang in seine Bilderzählungen.
Dalí liest Freud. Die „Residencia des Estudiantes“
(1922–1926)
An der Residencia de Estudiantes (einem Studierendenwohnheim nach englischem Vorbild) in Madrid findet Dalí in den frühen 1920er-Jahren einen Ort des fruchtbaren Austauschs zwischen künstlerischer Avantgarde und Wissenschaft vor. In diesem anregenden Klima stößt der junge Künstler erstmals auf die Schriften Sigmund Freuds. Die Traumdeutung wird für ihn zu einer der wichtigsten Entdeckungen seines Lebens. Freuds Theorien eröffnen ihm einen Zugang zu dessen Konzept des Unbewussten, der Verdrängung und der Bewusstmachung verborgener Konflikte. Die Zeichnungen des Mediziners und Nobelpreisträgers Santiago Ramón y Cajal offenbaren ihm hingegen die sichtbaren Strukturen des Nervengewebes.
Dalís Gemälde aus jener Zeit zeugen von seiner intensiven Auseinandersetzung mit europäischen Avantgardebewegungen wie dem Futurismus, dem Kubismus oder der metaphysischen Malerei. Zugleich erschließen sich dem Künstler und seinen Mitbewohnern, dem Dichter Federico García Lorca und dem Filmemacher Luis Buñuel, über französische Avantgardezeitschriften die neuesten Errungenschaften der surrealistischen Bewegung.
In jener Epoche entstehen zahlreiche Zeichnungen Dalís, aber auch Lorcas, die deutliche Parallelen zu den Zeichnungen von Nervengewebe von Ramón y Cajal aufweisen. Als richtungsweisend für Dalís beginnende Verarbeitung der Freud’schen Konzepte gilt das Gemälde Komposition mit drei Figuren. (Neokubistische Akademie) (1926).
Im Bann des Surrealismus
(1927−1931)
Im Laufe der 1920er-Jahre nimmt Dalí eine Fülle von Inspirationen auf, aus denen er seine persönliche Ikonografie entwickelt. 1929 legt er schließlich die Grundbegriffe seiner surrealistischen Bildsprache fest. Von diesem entscheidenden Moment an finden Freuds Theorien verstärkt Niederschlag in Dalís Schaffen. Sein Gemälde Das düstere Spiel (1929) ist eines jener frühen Bilder, in denen Anspielungen auf unterdrückte Begierden, sexuelle Frustrationen oder die Angst vor der Überschreitung von Tabus eine bedeutende Rolle spielen.
In jenem für ihn so entscheidenden Jahr 1929 lernt Dalí Gala kennen, die zeitlebens an seiner Seite bleiben wird. Mit ihr zieht Dalí nach Paris, wo er sich der Gruppe der Surrealisten um André Breton anschließt und gemeinsam mit Luis Buñuel die Filme Un chien andalou (1929) und L’âge d’or (1930) dreht.
Dalís Beziehung zu Gala, die zehn Jahre älter als der Künstler und bereits verheiratet ist, sowie sein respektloser Umgang mit der Erinnerung an seine verstorbene Mutter führen zu jener Zeit zum Bruch mit dem Vater. Werke wie Schlafende Frau in der Landschaft (1931), Die Einsamkeit (1931) oder Reue. Sphinx im Sand begraben (1931) zeugen von einer Stimmung der Verlassenheit und Ausgesetztheit und spiegeln damit wohl jenen psychischen Zustand, den Dalí nach der Verstoßung durch den Vater empfand.
Die „paranoisch-kritische“ Methode
(1932–1937)
Dalís „paranoisch-kritische“ Methode gilt als der wichtigste Beitrag des Künstlers zum Surrealismus. Mit ihr entwickelt der Maler ein Konzept, das es der Kunst ermöglichen soll, auf eine der Psychoanalyse ebenbürtige Weise an das Unbewusste heranzugehen. Damit erklärt Dalí, in seiner Malerei irrationale, aber dennoch klar erkennbare Bilder erfassen zu können.
Eine zentrale Rolle innerhalb der „paranoisch-kritischen“ Methode kommt dem Spiel mit der Wahrnehmung zu. In Gemälden wie Paranonïa (um 1935) und Schwäne spiegeln Elefanten wider (1937) setzt Dalí Kippbilder ein, die, je nachdem welches Bildmotiv fokussiert wird, Verschiedenes darstellen. Dies beruht auf der Annahme, dass der jeweilige Bildeindruck durch den Einfluss eines irrationalen Moments geprägt wird. Betrachtende sehen, was sie sehen wollen oder sogar was sie sich zu sehen einbilden.
Die Schriften des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan bestätigen den Künstler in seinen Theorien, die er in surrealistischen Avantgardezeitschriften wie Le surréalisme au service de la révolution oder Minotaure publiziert.
In den Gemälden und Zeichnungen aus jener Zeit vereint Dalí Freud’sche Konzepte mit Motiven aus seinem persönlichen Bildkosmos. Sie bringen Dalís Kindheitserinnerungen, seine sexuellen Obsessionen, die Angst vor Impotenz bis hin zu seinen Zweifeln an der eigenen sexuellen Identität zum Ausdruck.
Die Begegnung: Dalí – Freud – James – Zweig
(1938)
London, 19. Juli 1938. Dalí trifft Freud in dessen Londoner Exil. Erst wenige Wochen zuvor war der Psychoanalytiker vor den Nationalsozialisten aus Wien geflohen. Das vom Maler lang ersehnte Treffen findet auf Vermittlung des Schriftstellers Stefan Zweig und des langjährigen Freundes und Mäzens Dalís Edward James statt.
In James’ Besitz befindet sich auch Metamorphose des Narziss (1937), jenes Bild, das Dalí zu seinem Besuch bei Freud mitbringt. Anhand dieses Gemäldes will Dalí den Psychoanalytiker von seiner „paranoisch-kritischen“ Methode überzeugen.
Dalís ehrgeiziger Wunsch, bei dem verehrten Übervater auf Anerkennung zu stoßen, erfüllt sich bei diesem einzigen Treffen nicht. Die Sprachbarriere, der fortgeschrittene Krankheitszustand Freuds sowie dessen an diesem Tag dokumentierte Taubheit erschweren das Unterfangen. Immerhin gelingt es dem Künstler, ein Porträt von Freud zu zeichnen.
Der Psychoanalytiker zeigt sich nachträglich stark von der Persönlichkeit Dalís beeindruckt und geneigt, seine bis dahin distanzierte Haltung zum Surrealismus zu überdenken. So schreibt Freud später an Stefan Zweig, durchaus interessiert zu sein, die Entstehung eines surrealistischen Bildes analytisch zu erforschen. Für Dalí scheint die Begegnung mit seinem Idol ebenfalls einen Wendepunkt zu markieren. Seine streng freudianische Schaffensperiode geht damit zu Ende.
Videos
Dalí – Freud. Eine Obsession (Teil 1)
Dalí – Freud. Eine Obsession (Teil 2)
Dalí – Freud. Eine Obsession (Teil 3)
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Biografien
Salvador Dalí
1904 Figueres – † 1989 Figueres
1904
Dalí kommt am 11. Mai in Figueres als Sohn des Notars Salvador Dalí Cusí und seiner Frau Felipa Domènech Ferrés zur Welt.
1908
Geburt seiner einzigen Schwester Anna Maria.
1921
Dalís Mutter verstirbt.
1922
Dalí besucht die Kunstakademie San Fernando in Madrid und lässt sich in der Residencia de Estudiantes nieder.
1926
Dalí erlangt Zugang zu Sigmund Freuds Schriften.
1929
Zieht nach Paris und schließt sich der Gruppe der Surrealisten an. Dalí lernt Gala kennen. Bruch mit der Familie.
1933
Veröffentlicht in der ersten Ausgabe der Zeitschrift Minotaure den Essay „Paranoisch-kritische Interpretation des obsessiven Bildes ‚Das Angelusläuten’ von Millet".
1934
Hochzeit mit Gala. Erste Reise in die Vereinigten Staaten.
1935
Versöhnung mit der Familie.
1937
Dalí und Gala verbringen ab April einige Zeit in Österreich. In Wien versucht Dalí vergeblich, Freud zu besuchen.
1938
Am 19. Juli trifft Dalí im Beisein von Stefan Zweig und Edward James Freud in London.
1939
Dalís streng freudianische Schaffensperiode geht zu Ende.
Sigmund Freud
1856 Freiberg [Příbor] – † 1939 London
1856
Freud wird am 6. Mai als Sohn des jüdischen Textilkaufmanns Jacob Freud und dessen ebenfalls jüdischer Ehefrau Amalia (geb. Nathanson) geboren.
1859
Umzug der Familie nach Wien.
1873−1881
Studium an der medizinischen Fakultät der Universität Wien mit Promotion zum Doktor der Medizin.
1885−1902
Habilitation und Privatdozentur für Neuropathologie an der Universität Wien.
1891
Umzug in die Berggasse 19.
1900
Die Traumdeutung erscheint. Freud etabliert damit das methodologische Fundament und grundlegende Konzepte der Psychoanalyse.
1907
Der Wahn und die Träume in W. Jensens Gradiva erscheint.
1921
André Breton besucht in Wien Sigmund Freud.
1922−1934
Freuds gesammelte Werke werden im Madrider Verlag Biblioteca Nueva in spanischer Übersetzung aufgelegt. Die Traumdeutung erscheint im Jahr 1923.
1923
Bei Freud wird Gaumenkrebs diagnostiziert.
1938
Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich flieht Freud am 4. Juni über Paris ins Exil nach London.
1938
Am 19. Juli findet in Freuds erstem Londoner Wohnsitz, Elsworthy Road 39, ein Treffen zwischen Dalí und Freud statt.
1939
Sigmund Freud stirbt am 23. September in London.
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